Billigarbeit fordert einen hohen Preis

Wer in Roßdorf bei lokalen Einzelhändlern seinen Fleischbedarf deckt achtet sicher auf die Gütesiegel für die Produktqualität. Eines fehlt aber. Das für die beteiligten Menschen. Denn  Corona hat einen Missstand aufgedeckt, der eigentlich bekannt war: die Lebensbedingungen der Arbeiter in Schlachtbetrieben. Denn die Fleischindustrie hat um Kosten zu senken ihre Produktion nicht ins Ausland verlagert, sondern Leute nach Deutschland geholt, die für wenig Geld sehr schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen. Zugegeben, nicht in Hessen, geschweige denn in Roßdorf. Aber diese Fabriken beliefern ganz Deutschland und damit auch unsere Supermärkte.

Wie kam es dazu? Durch Einführung von Werkverträgen in der Fleischindustrie wurde vor einigen Jahren ein Preisdumping ermöglicht: Die Arbeiter werden nicht als feste Mitarbeiter im Schlachtbetrieb eingestellt, sondern die komplette Verantwortung wird vom „Hersteller“ an Subunternehmer abgetreten. Dadurch werden Arbeitsbedingungen ermöglicht, die an Ausbeutung grenzen und die in Pandemiezeiten  zu Corona-Hotspots werden.

Natürlich darf man an dieser Stelle nicht pauschalisieren. Es gibt nach wie vor Betriebe, insbesondere kleine Familienbetriebe, mit Festangestellten und vernünftigen Arbeitsbedingungen.  Sie sind aber wegen großer Nachteile im Preiskampf und bürokratischer Auflagen gegenüber den riesigen Schlachthöfen vom „Aussterben“ bedroht. In letzteren sind Werkverträge und unmenschliche Arbeitsbedingungen mehr die Regel als die Ausnahme.
Und gerade weil es sich bei den Tätigkeiten im Schlachtbetrieb um eine psychisch belastende Arbeit handelt, sollten diese Menschen gute Arbeitsbedingungen vorfinden.

Es ist aber auch die Tierhaltung, die Billigfleisch ermöglicht. Vor ca. einem Jahr wurde das Tierwohl-Label eingeführt: ein einfaches 4 Stufensystem, welches in der schlechtesten Haltungsform mit „1“ die gesetzlichen Vorgaben und in der besten mit „4“ nicht einmal den Biostandard erreicht.

Fast alle Ketten machen mittlerweile beim Tierwohl-Label mit. Doch wer im Supermarkt nicht auf den Preis, sondern auf das Tierwohl achtet,  hat es schwer: aktuell ist 88% des im Supermarkt verfügbaren Frischfleisches nur von Stufe 1.

Das Titelbild zeigt, dass Schweine intelligente Tiere sind die mehr können als man denkt

Betrachten wir mal das am häufigsten konsumierte Fleisch: Schweinefleisch. Wie sieht das für ein Schwein in Stufe 1 aus? Es verbringt sein ganzes Leben im Stall. Es hat nicht mal einen Quadratmeter Platz. Das ist kaum genug, um sich umzudrehen oder hinzulegen. Schweine sind intelligente und vor allem saubere Tiere, die auch schwimmen können!

Die gesetzlich erlaube Haltungsform ist absolut nicht artgerecht und sollte genauso wie die unmenschlichen Bedingungen für die Arbeiter schnellstens verbessert werden. Aber etwas ambitionierter, als es die Borchert Kommission vorsieht. Bei den Werkverträgen ging das ja jetzt auch ganz schnell. Sie werden ab 2021 in der Fleischindustrie verboten.

Was bedeutet das jetzt für uns in Roßdorf? Wir können nachfragen, wo das Fleisch herkommt und unter welchen Bedingungen die Tiere lebten bzw. verarbeitet wurden. Das geht in unseren Supermärkten an der Frischetheke und natürlich auch bei den freundlichen Verkäufer*innen in den Roßdörfer Metzgereien. In unserer Nähe kann man z.B. auf dem Hofgut Oberfeld (Darmstadt), dem Eichhof (Ober-Ramstadt) oder bei Bauer Mann (Groß-Zimmern) regionales Fleisch aus sehr guter Tierhaltung kaufen. Auf agrarpower.de findet man noch weitere Direktvermarkter. Das Oberfeld gab auf unsere Anfrage auch Auskunft über die Schlachtung: sie findet in der Nähe in kleinen Familienbetrieben statt.

Schade, dass diese Art der Landwirtschaft aktuell nicht wirtschaftlich ist und demnach nicht von jedem Landwirt umgesetzt werden kann. Trotzdem sollten wir unsere Landwirte unterstützen und versuchen so regional wie möglich zu kaufen. Wir Verbraucher*innen haben mehr Macht als wir denken!

Für die Grünen: Katrin Rose und das Redaktionsteam

 

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