Rede Ina Renz zum Antrag der Grünen „Pakt für den Nachmittag“ (PfdN) Gemeindevertretung Roßdorf 20.05.2022;

 

Wir hatten eine intensive Woche zur Vorbereitung dieser Sitzung. Eine Woche, die gezeigt hat wie emotional das Thema PfdN ist, dass man aufpassen muss wie man was sagt, um nicht missverstanden zu werden. Eine Woche mit neuen Informationen zur haushaltspolitischen Lage in unserer Gemeinde, die leider nicht besonders erfreulich ist.

Wir haben gestern bis spät abends in der Fraktion getagt und haben beschlossen, einen Aspekt unseres ursprünglichen Antrags zu ändern von „unbefristet“ auf „für 2 Jahre“. Wir versuchen damit, ein Stück weit auf die neuen Informationen zum Haushalt zu reagieren, die so bei Antragstellung nicht bekannt waren. Und mehr Planungssicherheit zu schaffen.

Aber worum geht es eigentlich?

Der PfdN wurde ins Leben gerufen, um noch stärker zu mehr Bildungsgerechtigkeit und einer besseren individuellen Förderung für die Schülerinnen und Schüler sowie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Eltern beizutragen und Bildungs- u. Betreuungsangebot besser zu verzahnen. (auf dem Weg zum Rechtsanspruch ab 2026).

In unserer Gemeinde wurde 2020/2021 auf den PfdN umgestellt. Das hatte zur Folge, dass die Kosten für die Eltern gestiegen sind.

Nun gab es im März den Bescheid, dass die Elternbeiträge zum kommenden Schuljahr nochmals um 20 € pro Monat und Kind steigen sollen. Diese Erhöhung ist haushaltspolitisch begründet, d.h. sie bietet keinerlei Verbesserung des Betreuungsangebots.

Diese Erhöhung bedeutet für die Familien pro Kind monatliche Kosten von 80 € im kurzen Modul und 150 € im langen Modul. Mittagessen kommt da noch dazu.

Bislang wurden die Kosten von den Eltern mitgetragen, auch als im 2. Lockdown 50% der Kosten bezahlt werden sollten (ohne die Betreuung zu nutzen).

Jetzt aber ist eine Schmerzgrenze erreicht.

Das sieht man an der Stellungnahme der Elternbeiräte an den Landkreis, v.a. aber in der Petition gegen die Mehrkosten, die von den gesammelten Eltern- und Schulelternbeiräten erstellt wurde und die, wie gestern zu lesen war, auch von den beiden Kreisverbänden der GEW unterstützt wird.

Die Petition hat (mit knapp 2.500 Unterschriften) das Quorum erreicht. Davon sind gut 2.300 aus dem Landkreis und allein 285 aus Roßdorf. Damit ist Roßdorf die Gemeinde mit den meisten Unterschriften (nach Reinheim mit 245). Diese Zahlen zeigen die Dringlichkeit des Themas für unsere Familien, genauso wie manche Kommentare zur Petition.

Wir, die grüne Fraktion, halten die Ziele des PfdN für so wichtig, dass wir alles dafür tun wollen, dass sie auch tatsächlich erreicht u. umgesetzt werden  – und genau da liegt das Problem der Mehrkosten.

Es geht nämlich nicht, um Wünsch Dir was, nicht um subjektive Befindlichkeiten, sondern es geht um das Recht auf Bildung für alle Kinder und v.a. um die Auswirkungen dieser Mehrkosten für die betroffenen Zielgruppen

Wer ist denn von den Mehrkosten am meisten betroffen? Wer sind die vulnerablen Bevölkerungsgruppen?
Es sind nicht die gut Situierten, für die 20€ wirklich nicht so viel Geld bedeutet, sondern es sind die sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen und darunter v.a. diejenigen, die nicht mehr in das Bildungs- und Teilhabepaket fallen; Familien, die auch in anderen Lebensbereichen knapp über den Bemessungsgrenzen für soziale Sicherungsleistungen liegen (Wohngeld, KDU). Die Gruppen, die eh schon zu kämpfen haben.

Welche Möglichkeiten haben diese Familien?
1. Kinder werden aus dem PfdN abgemeldet und fallen aus dem System, haben schlechtere Bildungschancen, sind schlechter sozial eingebunden, Eltern haben zeitlichen Druck, um den Spagat zu schaffen
oder
2. Kinder bleiben im PfdN und Eltern haben den finanziellen Druck, der letztlich auch wieder auf die Kinder zurückfällt (durch Stress, durch Einsparungen an anderer Stelle)

Egal wie, es fällt letztlich immer auf die Kinder zurück und es sind genau die Kinder, die eine Schulbetreuung am meisten brauchen würden /am meisten davon profitieren würden, die als erstes aus dem System fallen.

Und diesen Familien / diesen Kindern möchten wir mit unserem Antrag eine Stimme geben.

Nun wird wahrscheinlich gleich gesagt werden, dass Roßdorf keinen genehmigten Haushalt hat, dass es im HH keinen Posten zur Übernahme der Mehrkosten gibt.

Und ja die Übernahme kostet natürlich auch die Gemeinde Geld, wir reden bei 240 Kindern, die momentan für den PfdN angemeldet sind von knapp 5.000 € monatlich, aufs Jahr sind das knapp 58.000 €.

Aber es ist ja nicht so, dass im Haushalt kein Etat für Familien eingestellt wäre.

Es ist auch nicht so, dass der Gemeinde die Familien egal sind. Sondern es sind 6 Mio. für Familien eingeplant. Es wäre nur knapp 1 Prozent aus diesem Posten, das man anders verteilen müsste.
Sollte es nicht Prioritäten dafür geben, wenn solche sozialen Härten auftreten – auch gerade in den für Familien ohnehin schweren Zeiten mit gestiegenen Lebenshaltungskosten u. Energiepreisen? Müsste man das nicht ganz genau anschauen und prüfen?

Aber ich möchte auch ganz klar den heutigen Gästen aus der Elternschaft und der Elternschaft da draußen sagen: Wenn dieser Antrag heute Zustimmung finden würde, ist es nicht sicher, ob es auch funktioniert. Gerade auch wegen den schlechten Rahmenbedingungen bzw. Aussichten zum Haushalt der Gemeinde, von denen wir diese Woche gehört haben. Aber auch diese Nachrichten sind noch keine Fakten.

 

Ich möchte abschließend nochmal sagen: Es geht hier nicht um Wünsch Dir Was, sondern darum, allen Kindern trotz ungleicher Ausgangsbedingungen gleiche Bildungschancen zu ermöglichen:

  • Chancengleichheit und soziale Bildungsgerechtigkeit
  • Gesellschaftliche Teilhabe
  • Vereinbarung von Beruf und Familie

Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dass die Gemeindevertretung die Petition, die berechtigten Sorgen der Elternschaft, ernstnimmt, und dass die Fraktionen bei der Abstimmung auch an ihr Wahlprogramm denken:

  • SPD: Starke Familien sind ein hohes Gut. In den Schulen legen wir Wert darauf, dass durch eine finanzielle Unterstützung die Nachmittagsbetreuung sichergestellt wird u. qualitativ hochwertig ist (PfdN), auch wichtig: Gleichstellung von Mann und Frau
  • CDU: Gemeinde soll attraktiver Schulstandort werden; ein Ziel ist bedarfsgerechter Ausbau der Betreuungsangebote in Kindergärten und Grundschulen
  • WiR: Sprachrohr aller Bürger; hören zu und geben Ihnen eine Stimme um etwas zu bewegen und die Zukunft aktiv mitgestalten zu können

 

Lassen Sie uns doch versuchen, gemeinsam eine Lösung zur Abfederung der Mehrkosten für den begrenzten Zeitraum von 2 Jahren zu finden. Das nimmt den Druck von den Familien in dieser besonders schweren Zeit und schafft einen Rahmen, um in den 2 Jahren für die Zeit danach eine Lösung an anderer Stelle zu finden.

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