Grüne und SPD: nach 100 Jahren mal durchschnaufen

100 Jahre Roßdörfer SPD – eine ungehaltene Rede

 

100 Jahre SPD in Roßdorf – da fragt man sich: Was wären wir hier in Roßdorf ohne die SPD? Ja, was wäre dann ..… ehrlich gesagt: CDU und Grüne würden das sehr genießen. Man stelle sich vor, die Grünen kämen zur nächsten Sitzung der Gemeindevertretung und der Sitzungssaal wäre bis auf eine Handvoll CDU-ler fast leer und uns gegenüber in der Reihe des Gemeindevorstandes fast nur leere Tische. Das wäre eine Sensation. Aber möglicherweise wären wir Grünen auch einfach nur ratlos, wir wüssten nicht einmal über wen wir schimpfen sollen! Kurios aber wahr: Das zentrale Arbeitsfeld der Rossdörfer Grünen heißt nun mal SPD. Die SPD regiert seit nach dem Krieg. Die SPD dominiert. Die SPD hat immer Recht, spätestens wenn die die Finger nach oben gehen.

Solange wir Grünen denken können, haben wir Zoff mit der SPD. Eigentlich fing der Krach schon vorher an. Zitat Joschka Fischer: „Der Gründungsvater der Grünen ist Helmut Schmidt.“ Das ist zwar nur die halbe Wahrheit, aber das spannungsreiche Verhältnis zwischen Grünen und SPD ist auch durch Umfragen belegt. So fragte die Zeitschrift AKP vor nicht allzu langer Zeit viele grüne Fraktionen in den Städte- und Gemeindparlamenten, wie die Zusammenarbeit mit anderen Parteien sei. Das Ergebnis der Studie war: Mit keiner Partei arbeiten die Grünen so konfliktreich zusammen wie mit der SPD. Was steckt hinter diesem Dauerstreit auf kommunaler Ebene? Vermutlich ist es wie in einer Familie. Je näher man sich steht, desto heftiger und belastender kann auch der Streit werden. Beispiel: Wenn die CDU ankündigt, demnächst die Atomkraftwerke wieder anschalten zu wollen, dann ist dies politisch falsch, aber es regt die Grünen nicht auf. Denn von der CDU habe wir nie anderes erwartet. Anders wäre es bei der SPD….. Gerade weil es so viel Verbindliches gibt, ist die gegenseitige Enttäuschung bei Einzelfragen so groß. Bewundernswert sind aus grüner Sicht die historische Rolle der Sozialdemokratie und die dahinter stehenden Werte. Auch in Roßdorf stehen 100 Jahre SPD geschichtlich für Werte wie Emanzipation, die Suche nach Demokratie und Freiheit, der Kampf um gleiche Chancen und die Kraft der Solidarität. Und denkt man an die Rolle der SPD im Nationalsozialismus, dann bleibt nur eine tiefe Verbeugung vor den Menschen, die für die Grundwerte unserer Gesellschaft gekämpft haben und dafür grausam verfolgt wurden. Vor diesem Hintergrund zeigt sich ganz klar: Die SPD spielt eine Hauptrolle auf der weltgeschichtlichen Bühne – die Grünen spielen eine Nebenrolle. Statt mit der Bühne könnte man die Rollen von Grünen und SPD etwas zeitgemäßer auch mit einem politischen Krimi vergleichen. Die SPD spielt mit Gerhard Schröder die Hauptrolle, den Kommissar, der einen klaren Auftrag durchführt und die Grünen…na ja: „Harry, hol’ Du schon mal den Wagen…“. Vielleicht haben wir deshalb auch einen ehemaligen Taxifahrer als Chef. Sehr typisch auch der Tatort am letzten Sonntagabend aus Berlin mit dem Titel „Die vorgezogenen Neuwahlen“. Die SPD mal wieder in einer Hauptrolle, die Grünen in einer Nebenrolle, diesmal als Opfer.

Zurück nach Roßdorf. Zu 100 Jahre SPD sagen wir „Alles Gute, alte SPD! Vermutlich hast Du noch mehr als 100 Jahre vor Dir.“ Wir Grüne haben uns bei dieser Gelegenheit gedacht: 100 Jahre im Dienst der Gemeinde – da muss man mal innehalten und genießen! Einmal alle hundert Jahre darf man durchschnaufen. Deshalb unser Vorschlag an Euch: Wir geben Euch für die nächste Gemeindevertretersitzung frei. Ihr bleibt daheim und lehnt Euch zurück. CDU und Grüne schaffen diesmal die Arbeit im Parlament für Euch mit. Ist das nicht ein Angebot? – Und weil diese grüne Rede zu Eurer Feier am vergangenen Freitag nicht gehalten werden konnte, habt Ihr sie nun schriftlich.

Robert Ahrnt – Die Grünen Roßdorf / Gundernhausen

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