Altlast: Gemeinde in der Verantwortung

Altlast in der Goldkaute

 

Die Roßdörfer Altlast wäre bester Stoff für einen Umweltkrimi. Es gibt eine dunkle Vergangenheit mit Streitigkeiten um alte Fässer. Es gibt einen junger Bürgermeister, der für die Gemeinde ein Schnäppchen macht und für wenig Geld ein altes Industriegebiet kauft, um für die einheimische Bevölkerung besonders günstiges Bauland zu schaffen. Die Abbrucharbeiten der Gemeinde kommen jedoch teuer als vorgesehen und ziehen sich hin. Eine Frau aus einer eingesessenen Familie will später ein Haus bauen lassen und der Baggerführer gräbt zu tief. Es finden sich krebserregende Stoffe in gefährlicher Konzentration, die dort schon seit Jahrzehnten liegen, von denen aber seltsamerweise niemand etwas wusste. Für einen perfekten Krimi fehlt nur noch die Liebesgeschichte und der Mord. Die Realität ist glücklicherweise wesentlich nüchterner. Die Sachlage ist relativ klar. Die Deutag hat bis 1960 auf dem damaligen Gelände der OHI Schotter in Teerbehältern für den Straßenbau aufbereitet und Eisenbahnschwellen mit Holzschutzmitteln getränkt. 1969 wird die Anlage abgebaut, es kommt jedoch zum Streit zwischen Geländeeigentümer OHI und der Deutag (heute Strabag), in welchem Zustand das Gelände verlassen werden soll. Was sich in den kommenden Jahren zwischen Deutag und OHI abspielte, wissen wir nicht. Die Gemeinde kaufte das Gelände jedenfalls im Jahre 1983. Drei Jahre später wird einer Firma Benninghoven von der OHI beauftragt, auf dem ehemaligen Betriebsgelände einen Bitumentank leerzupumpen, hierüber gibt es einen Beleg – der Behälter verbleibt vermutlich auf dem Gelände. Die Gemeinde wußte angeblich nichts von dieser Aktion, das Gegenteil kann man bis heute nicht beweisen. 1989 lässt die Gemeinde alle Gebäude der OHI abreissen, auch die Verladerampe, unter der sich vormals die Teermischanlage befunden hat, und füllt mit dem Abruch-Schutt das tieferliegende Gelände an der Bahnlinie auf. Es gibt jedoch niemanden, der bei den Arbeiten im Auftrag der Gemeinde Teerbehälter gesehen haben will – zumindest findet sich bis heute keine Person. Fünf Jahre später, im Jahr 1994, möchte die neue Grundstückseigentümerin Frau Jung die Fundamente für ihr neues Haus errichten und deren Bauunternehmen stößt in der Tiefe nicht nur auf intensiven Teergeruch, sondern auch auf mehrere mit Schutt angefüllte Metallwannen in denen sich noch Restmengen klebrigen Teers befinden. Das Grundstück liegt heute noch so da wie vor 10 Jahren, die Teerbehälter wurden von der Gemeinde entsorgt, die krebserregenden Schadstoffe wurden bis in eine Tiefe von mehr als 10 Metern im Grundwasser nachgewiesen und werden früher oder später im nächsten Trinkwasserbrunnen auftauchen. Das Regierungspräsidium in Darmstadt versucht seit Jahren, die Strabag für die Sanierung der Altlast heranzuziehen, aber die Strabag hat viele gute Anwälte….Soweit so schlecht. Klar ist: Es gibt eine Pflicht, bei der Ausweisung von Baugebieten auf Altlasten zu achten. Ganz klar ist: Entweder OHI oder Gemeinde hätten von der Altlast wissen müssen, vielleicht auch beide. Ganz klar ist auch: Es gab mindestens eine Person, welche den Auftrag zum Verschütten der Behälter gegeben hat, selbst wenn die OHI es nicht gewesen sein will und die Gemeinde dies weit von sich weist. Frau Jung kämpfte seit diesem Zeitpunkt für ihr Recht, nicht auf dem Schaden sitzen zu bleiben. Nachdem die Gemeinde ihr die kalte Schulter zeigte, haben die Grünen versucht, durch Anfragen und Anträge Bewegung in die Sache zu bringen. Der damalige Bürgermeister reagierte im amtlichen Blatt mit der Überschrift: „Die Grünen verunsichern die Bevölkerung“. Wir beantragten 1996:
„Die unmittelbar durch Altlasten geschädigten Grundstückseigentümer werden durch die Gemeinde weitgehend schadlos gestellt. Vorrang hat die Rücknahme der Grundstücke zum damaligen Kaufpreis sowie der weitgehende Ersatz der entstandenen Kapital- und Planungskosten.“ Sollte ein Rückkauf nicht möglich sein, so die Grünen damals, ist
„eine Unterstützung der Eigentümer im obengenannte Sinn sicherzustellen“.

Der Antrag wurde abgelehnt. Trotzdem hat wenige Monate nach Ablehnung unseres Antrags die Gemeinde Frau Jung den Kaufpreis erstattet, ohne jedoch das Grundstück zurückzunehmen. Frau Jung wollte jedoch auch ihren restlichen Schaden (Planung und Erdaushub) erstattet bekommen und hat deshalb gegen die Gemeinde geklagt. Dieser Prozess zog sich über Jahre und wurde von ihr (leider) nicht gewonnen. Wir können ihre Enttäuschung gut nachvollziehen. Es ist aus unserer Sicht empörend, dass die Gemeinde Roßdorf bis heute nicht zu ihrer Verantwortung steht. Vermutlich wäre jeder Roßdörfer Bürger voller Zorn, wenn er die Zeche für das Versagen von OHI und Gemeinde übernehmen müsste. Es gibt die rechtliche Pflicht einer Gemeinde, sich vor der Aufstellung eines Bebauungsplanes um eventuelle Altlasten zu kümmern und diese Pflicht wurde zumindest grob vernachlässigt. Aber nicht nur Frau Jung ist eine Verliererin gegenüber der Gemeinde. Auch die Gemeinde ist Verliererin gegenüber der OHI. Die Gemeinde hat nicht nur den Kaufpreis des Grundstückes für Frau Jung zurück erstattet, sondern auch 100.000,-Euro für die Entsorgung der Teerbehälter im Jahr 1999 und mehrere Gutachten bezahlt. Versucht die Gemeinde dieses Geld von der OHI erstattet zu bekommen? Ist die Gemeinde sauer auf die OHI? Nein, im Gegenteil. Das Gemeindeparlament hat der OHI vor zwei Jahren mit einem Extra-Bebauungsplan ein Super-Baugrundstück geschaffen, auf welchem mittlerweile viele Reihenhäuser verkauft wurden. Je länger man diese Zusammenhänge betrachtet, desto mehr merkt man: Die Altlast in der Goldkaute wäre bester Stoff für einen Umweltkrimi.

 

Robert Ahrnt – Die Grünen Roßdorf / Gundernhausen

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