Thomas Philips rechtswidrig?

Die Gemeinde in der Klemme

 

Unter welchem Druck steht eine Gemeinde, die mit vollem Bewusstsein einen Bebauungsplan beschließt, der gegen hessische Gesetze verstößt? So geschehen in der vergangenen Sitzung der Gemeindevertretung bei dem Bebauungsplan für den Neubau eines Sonderpostenmarktes von Thomas Philipps. Schon vor einigen Jahren hatte die Gemeinde versucht, für den heutigen Thomas-Philipps-Markt einen Bebauungsplan für Einzelhandel zu schaffen. Schon damals haben wir Grünen im Parlament zahlreiche Argumente gegen den Bebauungsplan vorgetragen und hatten die Öffentlichkeit über „Rossdorfs größten Schwarzbau“ informiert. Als gewerbliche Möbelhalle waren die Hallen zwar für Hansa genehmigt worden, die Unnutzung als großflächiger Einzelhandelsmarkt war jedoch damals illegal. Erstaunlich: Der vorhandene Markt hat bis heute keine Genehmigung und verstößt seit vielen Jahren gegen das Baurecht, so berichtete Bürgermeisterin Frau Sprößler auf eine schriftliche Anfrage der Grünen in der vergangenen Sitzung. Soviel Großzügigkeit würde sich der einfache Bürger von den Behörden auch wünschen. Aber dem nicht genug: Die Mehrheit von SPD und CDU hat nun für das neue Gewerbegebiet eine Teilumwandlung zum „Sondergebiet Sonderpostenmarkt“ beschlossen, sodass die Firma Thomas Philipps einen Neubau mit 3.500 qm Verkaufsfläche errichten kann. Pech für die Gemeinde: Es gibt einen Regionalplan in Hessen, welcher die Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel in bestehenden Gewerbegebieten nicht zulässt. Darüber hinaus, so der Regionalplan, ist großflächiger Einzelhandel nicht in Unterzentren (wie Roßdorf) zulässig. Das Vorhaben der Gemeinde verstößt somit gleich zweifach gegen die für Behörden verbindliche Vorschrift. Und weil es keine Regel ohne Ausnahme gibt, können Ausnahmen zwar zugelassen werden, müssen jedoch in die Planungsversammlung Südhessen eingebracht und von diesem Parlament verabschiedet werden. Dies hat die Gemeinde jedoch unterlassen und bei allen schriftlichen und mündlichen Hinweisen der Grünen auf die bestehende Rechtslage den Mund geschlossen und die Ohren auf Durchzug gestellt.

Warum will die Gemeinde einen Neubau für den Sonderpostenmarkt? Weil die Gemeinde über eine Erschließungsgesellschaft fast alle Flächen im neuen Gewerbegebiet angekauft hat, über die Erschließungsgesellschaft alle Kosten inklusive der Kanalisation und Straßen finanziert hat, die Interessenten dafür jedoch ausbleiben. Alle diese hohen Kosten der Erschließungsgesellschaft tauchen jedoch im Haushalt der Gemeinde nicht auf, denn die gesamte Finanzierung übernimmt die Erschließungsgesellschaft – bis 10 Jahre nach Beginn der Maßnahme. Und dann? Dann muss die Gemeinde alle nicht-verkauften Flächen auf einen Schlag übernehmen und alle dazugehörigen Erschließungs- und Entwicklungskosten und aufgelaufenen Zinsen noch obendrein. Die aktuelle Lage: Die Preise für normale Gewerbeflächen befinden derzeit überall im Rhein-Main-Gebiet im Sinkflug und nur noch der großflächige Einzelhandel ist bereit, höhere Preise zu zahlen. Die Gemeinde dagegen hat ein leer stehendes Gewerbegebiet auf Pump. Im Klartext: Es bahnt sich ein finanzielles Desaster an, wenn die Flächen im neuen Gewerbegebiet nicht schnellstens vermarktet werden.

Warum wollen die Grünen keinen Neubau des Sonderpostenmarktes? Weil wir damit die Probleme der Gemeinde langfristig vergrößern. Ein Neubau von Thomas Philipps wird einen Teil der verbliebenen Geschäfte in Roßdorf treffen, denn ein großer Neubau mit vielen Parkplätzen macht den Markt attraktiv. Der Druck für die Gemeinde wird steigen, in der Nachbarschaft weitere Einzelhandelsgeschäfte zuzulassen. Denn wenn der neue Thomas-Philipps gut läuft, werden die nächsten Bewerber Schlange stehen und die Bürgermeisterin wird zu entscheiden haben zwischen „Pleite oder Geldsegen“. Eine wahrhaft unangenehme Klemme. Ist dies typisch Roßdorf? Nein, alle Gemeinden mit Gewerbegebieten haben die gleichen Probleme. Aber so sehen diese Gemeinde auch aus – Lidl, Penny, Aldi, Neukauf, Real machen sich breit und auch Toom, Walmat und diverse Baumärkte setzen auf offensive Expansion (von Segmüller, Mediamarkt und anderen Giganten ganz zu schweigen). Wie werden diese Gemeinden erst aussehen, wenn die Hälfte der neu gebauten Hallen in wenigen Jahren leer steht?

Die Grünen waren gegen die fremdvergebene Entwicklung des Gewerbegebiets mit einer Erschließungsgesellschaft und wurden nicht gehört. Die Grünen sind gegen neue Einkaufsmärkte in Roßdorf, um die vorhandenen Einzelhändler nicht weiter zu schwächen. Weil die inhaltliche Debatte nicht geführt wurde, bleibt uns nur der lapidare Hinweis auf die bestehende Rechtslage. Eigentlich hätte Bürgermeisterin Frau Sprößler schon während der vergangenen Sitzung gegen den offenkundig rechtsfehlerhaften Bebauungsplan Widerspruch einlegen müssen – sie hat sich für Wegschauen entschieden.

 

Robert Ahrnt – Die Grünen Roßdorf / Gundernhausen

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