Gewässerschutz und Landwirtschaft

Wird das „Otzberger Modell“ verwässert? (22.01.01)

Für die kommende Sitzung der Gemeindevertretung hat der Gemeindevorstand dem Roßdörfer Parlament eine Vereinbarung zum Gewässerschutz vorgelegt. “In Anlehnung an das Otzberger Modell”, so die Vorlage des Gemeindevorstandes, soll eine Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel des Grundwasserschutzes zwischen den Roßdörfer Landwirten und der Gemeinde abgeschlossen werden.
Das Otzberger Modell wurde 1993 von der Schwarz-grünen Koalition in Otzberg beschlossen, weil die Gemeinde Otzberg aufgrund der intensiven Landwirtschaft erhebliche Probleme mit der Wasserversorgung aus eigenen Brunnen hatte. Wesentliche Vertragsvereinbarung in Otzberg war die Einstellung von zwei landwirtschaftlichen BeraterInnen (Agrar-IngenieurInnen) und Ausgleichszahlungen für betroffene Landwirte, wenn die gemeinsam beschlossenen Maßnahmen zum Gewässerschutz mit Mindereinnahmen verbunden waren. Das Otzberger Modell wurde im übrigen seinerzeit von der Rot-grünen Landesregierung mit Mitteln aus der Grundwasserabgabe in wesentlichen Teilen finanziert. Das Otzberger Modell ist dynamisch, denn es sind keine Einzelmaßnahmen im Kooperationsvertrag festgeschrieben, der Schwerpunkt liegt eindeutig auf gemeinsamer Entwicklung von Maßnahmen. Das Modell ist mittlerweile ausgeweitet worden. Bis 1990 sind auch die Gemeinden Groß-Umstadt, Lautertal, Lindenfels, Modautal und Reichelsheim dem Otzberger Modell beigetreten und haben eine Kommunale Arbeitsgemeinschaft gebildet. Der Otzberger Weg wurde schließlich als vorbildlich ausgezeichnet und ist in einer Broschüre der Landesregierung mit dem Titel “Die Bauern von Otzberg” bestens dargestellt – die Broschüre haben sich die Roßdörfer Grünen aus Otzberg zukommen lassen.
Auch in Roßdorf gibt es erhebliche Probleme mit dem Grundwasser. Aufgrund der Nitratbelastung wurde ein Brunnen in Roßdorf schon geschlossen und die Schadstoffwerte anderer Trinkwasserbrunnen sind nicht unerheblich.
Der Vertragsentwurf für die Gemeinde Roßdorf geht jedoch einen anderen Weg. Beratung für Landwirte spielt in Roßdorf zumindest im Entwurf eine untergeordnete Rolle. Auffällig am Roßdörfer Entwurf ist jedoch die detaillierte Festlegung auf Ausgleichszahlungen, die für jede Maßnahme beschrieben und beziffert werden. Der Roßdörfer Entwurf ist aus unserer Sicht ein starrer Vertrag, der nicht die Qualitäten des Otzberger Modells erkennen lässt. Unverständlich ist auch, dass die Vereinbarung nur für das trinkwasser-relevante Gebiet der Gemarkung Roßdorf verbindlich ist. Weil die Gundernhäuser ihr Wasser vom Wasserverband bekommen und daher keine eigenen Brunnen vorhanden sind, wird für Gundernhausen offensichtlich nicht die Notwendigkeit des Grundwasserschutzes gesehen. Dort dürfen die Landwirte zwar auf freiwilliger Basis an dem Subventionsprogramm teilnehmen, müssen sich jedoch in keiner Weise vertraglich binden. Die Grünen wollen das Grundwasser überall in Roßdorf in gleicher Weise geschützt sehen, unabhängig davon, ob wir es hinterher trinken oder nicht.
Die entscheidende Frage an den Gemeindevorstand lautet jedoch: Warum muss Roßdorf das Rad neu erfinden? Warum treten wir als Gemeinde nicht einfach der Arbeitsgemeinschaft AGGL (Arbeitsgemeinschaft Gewässerschutz und Landwirtschaft in der Region Starkenburg) bei? Schon deren Name legt nah, dass ein Beitritt denkbar wäre. Die Roßdörfer Grünen begrüßen die Initiative der Gemeinde zum Gewässerschutz sehr, um so mehr, als die Initiative zu dieser Maßnahme von Roßdörfer Landwirten selbst ausging. Die Roßdörfer Grünen befürchten jedoch, dass mit dem vorliegenden Entwurf das Otzberger Modell verwässert wird. Es besteht aus unserer Sicht noch erheblicher Beratungsbedarf. Wir schlagen als ersten Schritt eine Informationsveranstaltung mit Experten des Otzberger Modells vor.
Es hat uns geärgert, dass ein so wichtiges Vorhaben auf der letzten Sitzung einer Legislaturperiode auf den Tisch gelegt wird, denn es ist abzusehen, dass sich nach der Kommunalwahl ohnehin neue GemeindevertreterInnen mit dem Thema befassen müssen. Wie schnell und ungenügend der Antrag fürs Parlament formuliert wurde, ist auch an der Vorlage selbst zu erkennen. Die finanziellen Auswirkungen auf die Gemeinde fehlen in der Beschlussvorlage komplett. Es wird uns zugemutet, eine wichtige langfristige und kostenintensive Entscheidung für Roßdorf treffen, ohne die finanziellen Auswirkungen für die Gemeinde auch nur in Ansätzen zu kennen. Für einen solchen groben handwerklichen Fehler wären die Grünen im Parlament zu Recht gerügt worden. Die Gründe für dieses überhastete Vorgehen sind für uns nur im Lichte der bevorstehenden Kommunalwahl zu erkennen.

Die Grünen Roßdorf / Gundernhausen Robert Ahrnt

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