„Wir sind nicht wehrlos“ – Angeregte Podiumsdiskussion zur Frage „Prism, Tempora & Co.: Grenzenlose Überwachung?“ in Groß Zimmern
„Die Bundesregierung darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen“, so Felix Möller, Bundestagskandidat der Grünen zum Skandal um die Ausspionierung deutscher Bürgerinnen und Bürger durch US-amerikanische und britische Geheimdienste. Im Kulturzentrum „Glöckelchen“ in Groß-Zimmern diskutierte er am Donnerstag (12.9.) mit Wolfram Bartussek und Jürgen Deike vom Arbeitskreis Netzpolitik der Grünen in Darmstadt auf Einladung des Kreisverbandes Darmstadt-Dieburg sowie des Ortsverbandes Groß-Zimmern. Die Moderation hatte Christoph Gaa, ebenfalls AK Netzpolitik, übernommen.
Dass das Thema nicht mehr Bürgerinnen und Bürger auf die Barrikaden bringe, darüber wundert sich Jürgen Deike in seinem Eingangsstatement. „Es fehlt hier noch an Sensibilität und Verständnis für das, was mit unseren Daten tatsächlich passiert“, so der IT-Profi, der vor allem für Datensparsamkeit plädierte.
Wolfram Bartussek, ebenfalls erfahrener ITler, ergänzte: „Es geht hier um nichts anderes als unsere Bürgerrechte.“ Geheimdienste hätten die Fähigkeit, immer und überall an die Daten von Bürgerinnen und Bürgern zu kommen. Doch diese seien erst am Anfang: “Sie sind noch nicht voll in Fahrt, sondern sie stellen sich erst auf.“ Der richtige Zeitpunkt also um einzugreifen.
„Wir sind nicht wehrlos“, führte Bartussek weiter aus. Es brauche jedoch eines starken Gegenwichts, gegenüber den Geheimdiensten und einer wirtschaftlich damit verflochtenen IT-Branche. Dies könne beispielsweise durch eine finanziell gut ausgestattete „Bundesbehörde für digitalen Bürgerschutz“ geschehen. Mit einem Budget von 52 Milliarden US-Dollar seien die amerikanischen Geheimdienste hervorragend ausgestattet. Davon würden Großaufträge an IT-Unternehmen vergeben, aus denen in der Folge ein Geflecht aus Abhängigkeiten entstehe.
Für Bundestagskandidat Felix Möller ist die Stärkung des Parlamentes in dieser Hinsicht unabdingbar. Bisher würden geheimdienstliche Belange auch in geheimen Gremien behandelt. Der Einfluss des Bundestages sei dabei wenig oder gar nicht möglich. Es sei zudem Sache des Staates, die Menschenrechte zu verteidigen. „Darum müssen sich nicht die Bürger kümmern. Wir brauchen eine Regierung, die sich für unsere Grundrechte einsetzt.“
Auch amerikanische Unternehmen, die hier in Deutschland Geschäfte machen wollten, müssen sich an deutsche Gesetze halten, ergänzte Jürgen Deike. Es könne nicht sein, dass IT-Unternehmen plötzlich die Grundrechte unterliefen. Das sei sehr wohl regulierbar. „Politisch ist da ganz viel möglich“, so Deike. Das Problem sei die Durchsetzung der vorhandenen Gesetze. Dem stimmte auch Wolfram Bartussek zu: „Der Datenschutz hat derzeit keine Chance gegen die mächtige IT. Das muss sich ändern.“
In der lebendigen, mit dem Publikum geführten Diskussion, war vor allem Aufklärung der Bevölkerung eine wichtige Forderung. Viele konnten nicht verstehen, wie die Bundesregierung die Spionage dulden könne und ihre Bürgerinnen und Bürger nicht besser schütze. Von Hilflosigkeit war die Rede, aber auch der Wunsch, etwas dagegen tun zu können war groß. Auch auf den wirtschaftlichen Schaden für Deutschland, der durch die Ausspioniererei bereits heute entstanden sei, wies ein Teilnehmer hin. Auch und gerade an Schulen müsse mehr in für die Aufklärung im Web getan werden. Eine IT- und Datenkompetenz von Kindern und Eltern könne hier erste Erfolge bringen.
„Wir müssen die nachwachsende Generation mit einem kritischen Bewusstsein ausstatten“, sagte Wolfram Bartussek. Der AK-Netzpolitik hat daher für Darmstadt ein „Netzdiplom“ angeregt, mit dem sich Kinder, wie beim beliebten Darmstädter Umweltdiplom, spielerisch weitere Kompetenzen erschließen könnten. Jürgen Deike plädierte abschließend dafür, das Internet nicht zu verteufeln: „Ich sehe das als große Bereicherung und Chance. Wir müssen aber bewusst damit umgehen und mündige Bürger schaffen.“
Einig waren sich alle darin, dass der Amerikaner Edward Snowden mit der Enthüllung der Machenschaften des amerikanischen und des britischen Geheimdienstes Zivilcourage gezeigt habe.
Sylvia Theel
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